Behinderte müssen nicht Fahrrad fahren

Behinderte Menschen haben in der Regel gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung keinen Anspruch darauf, zum Ausgleich ihrer Behinderung mit einem entsprechenden Fahrrad versorgt zu werden. Erst wenn ein Therapiedreirad zur Befriedigung der „elementaren Bewegungsfreiheit“ erforderlich ist, besteht eine entsprechende Versorgungspflicht im Rahmen der medizinischen Rehabilitation. Dies entschied in einem heute veröffentlichten Urteil der 8. Senat des Hessischen Landessozialgerichts. Eine 1974 geborene, unter Paraspastik leidende Frau aus Offenbach beantragte die Versorgung mit einem Therapiedreirad. Die behinderte Frau kann mit einer Gehhilfe lediglich fünf Meter und mit einem Rollator weniger als einen Kilometer zurücklegen. Die Krankenkasse lehnte die Übernahme der Kosten von knapp 2.300 € mit der Begründung ab, dass ein Fahrrad ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens sei. Dieser werde regelmäßig nur Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren bewilligt, um Koordination und Gleichgewichtsinn in der Entwicklungsphase günstig zu beeinflussen. Ferner sei das Therapierad im Fall der erwachsenen Klägerin auch nicht erforderlich, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder einer drohenden Behinderung vorzubeugen.

Das Landessozialgericht gab der Krankenversicherung Recht. Da die Krankenkassen nur für die medizinische Rehabilitation zuständig seien, müssten sie auch nur für Hilfsmittel aufkommen, die ein „Grundbedürfnis des täglichen Lebens“ betreffen. Soweit hingegen nur ein bestimmter Lebensbereich in Beruf oder Freizeit berührt sei, komme allenfalls eine Kostenübernahme im Rahmen der beruflichen oder sozialen Rehabilitation in Betracht, für welche die Krankenversicherung nicht zuständig sei. Da ferner kein Anspruch auf eine völlige Gleichstellung mit einem gesunden Versicherten bestehe, müsse die Krankenkasse auch nur einen Basisausgleich sicherstellen, welcher bereits durch das Erschließen eines gewissen körperlichen Freiraums gewährleistet werde.

LSG Hessen, Urteil vom 09.06.2008 - Az L 8 KR 40/07